Eine Untersuchung von IBM zeigte, dass Kreativität zu den gefragtesten Ressourcen der heutigen Geschäftswelt gehört. Darum wird fleissig zu diesem Thema geschrieben und behauptet. Im Folgenden werden fünf Kreativitäts-Mythen diskutiert.
Mythos 1: Kreativität = Chaos
Was genau Kreativität ist, darüber ist sich die Wissenschaft nicht einig. Der Volksmund bringt dieses Konstrukt aber mit ungreifbarem Chaos und manchmal sogar mit psychischen Störungen (Mad Genius) in Verbindung. So seien kreative Menschen chaotische Non-Konformisten mit mentalen Problemen. Im Gegensatz zu dieser Hypothese stehen die Beobachtungen von Masson Curry. In seinem Buch über die täglichen Rituale berühmter kreativer Menschen findet sich bei fast allen Erfinderinnen und Künstlern ein äusserst strukturierter und geordneter Tagesablauf. Dieser wird aber immer wieder durch kreative Planbrüche, wie z.B. extrem heisses Duschen durchbrochen. Stephen Nachmanovitch macht genau dieses Zusammenspiel von Chaos und Ordnung zu seiner zentralen Definition von Kreativität. Er erachtet die Fähigkeit zur Harmonisierung von Gegensätzen als Schlüssel zu Kreativität.
“Nichts kann existieren ohne Ordnung. Nichts kann existieren ohne Chaos”. — Albert Einstein
Fazit:
Häufig sind in einem kreativen Prozess sowohl phantasievolles Chaos wie auch strukturierte Ordnung vorhanden.
Mythos 2: Angst & Zeitdruck fördern Kreativität
Sind im Krieg die Menschen am kreativsten? Angesichts der vielen Erfindungen während der zwei Weltkriege erscheint diese Hypothese einleuchtend. Die Forscherin Teresa Amabile kommt jedoch auf ein anderes Resultat. Nach ihren Recherchen wirkt sich Druck und Angst über die Zeit kontraproduktiv auf Kreativität aus. Glückliche und ausgeglichene Menschen brachten in ihrer Untersuchung mehr kreative Ideen hervor. Eine Erklärung dafür bietet die Broaden-and-Build-Theorie von Fredrikson. Während positive Emotionen den Wahrnehmungshorizont eines Menschen öffnen, verengen negative Emotionen das Wahrnehmungs- und Aktionspotential.
“What is creative living? Any life that is driven more strongly by curiosity than by fear.” — Elizabeth Gilbert
Fazit:
Für Kreativität braucht es positive Emotionen, Mut zum Scheitern und Offenheit gegenüber Neuem.
Mythos 3: Brainstorming, der ultimative Kreativitäts-Booster
Seit Osborn diese Kreativitätstechnik vor über 80 Jahren vorgestellt hat, haben unzählige Teams gestormed. Die Erfahrung und auch die Forschung zeigen, dass dabei Einiges schiefgehen kann. So stellte sich heraus, dass sich Menschen während eines solchen Prozesses gegenseitig blockieren können. Der Sozialpsychologe Sven F. Goergens fand, dass 20 alleine nachdenkende Menschen bis zu 50 % mehr und dazu originellere Einfälle hatten als Teams. Eine Lösung für dieses Gruppen-Problem kann die adaptierte Brainstorming-Methode des Brainwriting sein. Dabei schreiben die Teilnehmenden ihre Ideen jeweils still auf, bevor sie in der Gruppe geteilt werden.
“The complete recipe for imagination is absolute boredom.” ― Criss Jami
Fazit:
Kreativitätstechniken sind Werkzeuge. Nicht mehr und nicht weniger.
Mythos 4: Kreativität ist angeboren
Der Hirnforscher Martin Meyer behauptet, Kreativität sei weder lehr- noch lernbar. Nichtsdestotrotz sind in den letzten 60 Jahren über 70 Kreativitätstrainings auf den Markt gekommen. Scott und Kollegen haben diese in einer Metaanalyse untersucht und miteinander verglichen. Dabei haben die Forschenden herausgefunden, dass kreative Leistungen durch das gezielte Training tatsächlich erhöht werden können. Wichtig dabei scheint, Kreativität anhand von echten Problemstellungen zu trainieren. Den grössten Effekt erzielten Übungen, die auf kognitive Skills, wie Problemidentifikation und divergentes Denken/Querdenken fokussierten. Den zweitgrössten Effekt hatte das Trainieren von Ideen generierenden Methoden (z.B Brainstormings :D).
“The most regretful people on earth are those who felt the call to creative work, who felt their own creative power restive and uprising, and gave to it neither power nor time.” — Mary Oliver
Fazit:
Kreativität lässt sich gezielt trainieren.
Mythos 5: Intelligenz und Kreativität haben nichts miteinander zu tun
Über Jahrzehnte wurden Kreativität und Intelligenz sowohl in der Forschung wie auch in der Praxis völlig getrennt betrachtet. Guilford machte in den 60er Jahren die Unterscheidung zwischen konvergentem (nur eine korrekte Lösung) und divergentem (viele mögliche Lösungen) Denken. Konvergentes Denken wurde in der Folge als typischer Marker für Intelligenz angesehen, während divergentes Denken als Indikator für Kreativität gebraucht wurde. Neue statistische Tools und Messmethoden werfen aber ein anderes Licht auf diesen Zusammenhang. So zeigt sich immer mehr, dass Intelligenz und Kreativität sehr viel miteinander zu tun haben. Eine Studie, in der kreative Metaphern erfunden werden sollten, fand zum Beispiel, dass Intelligenz die Hälfte der Kreativitäts-Streuung aufklären konnte. Der Ruf nach einer ganzheitlicheren Sicht auf Intelligenz wird unter Forschenden immer lauter. So findet Kaufmann, dass unser Verständnis von Intelligenz sowohl konvergentes, divergentes Denken und auch Persönlichkeitsaspekte wie Offenheit beinhalten sollte. Eine ganzheitlichere Sicht auf Intelligenz könnte einen positiven Einfluss auf das Bildungswesen haben. Sir Ken Robinson bringt genau das in seinem berühmt gewordenen TED Talk auf den Punkt. Um die Herausforderungen unseres Jahrhunderts meistern zu können, sollten in der Schule nicht nur Fächer wie Mathematik oder Sprachen im Mittelpunkt stehen, sondern auch Inhalte wie Musik und Kunst.
“Kreativität ist Intelligenz, die Spass hat.” — Albert Einstein
Fazit:
Für Kreativität ist entscheidend, was man weiss (Expertenwissen), aber auch wie dieses Wissen in Problemstellungen aktualisiert, kombiniert und transformiert wird.
Lust auf mehr?
Falls Sie gerne tiefer ins Thema Kreativität eintauchen möchten, z.B. in einem geführten Design-Thinking Prozess mit einem konkreten Prototypen als Endprodukt, freuen wir uns Sie kennen zu lernen.
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